Stabilität

Ob der Boden mich trägt, das Haus nicht einstürzt, die Sonne auch heute wieder aufgeht, meine Frau mich nicht verlässt und das Finanzamt sich nächstes Jahr wieder an mich erinnert – das ist eine Frage der Stabilität von Seinszusänden, denen ich Verlässlichkeit, Dauerhaftigkeit, eine Neigung zur Wiederholung oder eben Stabilität unterstelle.

Manchmal erweist sich auch etwas als stabil, was ich als äußerst instabil eingeschätzt hätte, wie zum Beispiel diese kunstvoll äqulilibristisch zusammengefügte Säule aus Steinen auf dem Foto. Unglaublich, welche Windböen sie übersteht! Von demjenigen, der die Steine aufeinandergelegt hat, ist weit und breit nichts zu sehen, sie steht also nicht erst seit fünf Minuten hier.

Da bekomm ich noch mal eine ganz andere Ahnung von „Stabilität“: Es ist letztlich ein Mysterium, das die Dinge zusammenhält, etwas lebendig-Feines, was grade wie die „Wirbelsäule“ der „toten“ Steine so gut zu sehen ist. Findest du auch?

Wenn ich jetzt von der Steinsäule weggehe und ganz allgemein meine Wahrnehmung aller Dinge betrachte, die mir so in den Sinn kommen, dann gibt es da auch dies Gefühl einer hauchzarten Mitte in allem, das ich sehe oder sonst mit Sinn und Verstand erfasse. Tatsächlich geht das Gefühl von Stabilität von dieser gefühlten Mitte aus. Dann ist dieses Stabilität also gar nichts, was den Dingen eigen ist, sondern kommt aus meiner Wahrnehmung, meinem eigenen Denken.

„Vertrauen“ kommt mir in den Sinn, Vertrauen ist das, was die eigentliche Stabilität hervorbringt. Kann man das so sagen?
Dann müsste ich auch Stabilität empfinden können, wenn das Haus doch zusammenfällt, wenn die Sonne nicht aufgeht und wenn das Finanzamt mich vergisst. Die Möglichkeit, dass meine Frau mich verlassen könnte, schließe ich hier mal ausdrücklich aus 🙂

Aber ernsthaft: Kann dann die Situation noch für mich „stabil“ bleiben, kann ich weiter vertrauen? Na klar kann ich!
Das ist dann eben die spannende Frage: Worauf genau vertraue ich in Situationen, die eigentlich Vertrauen nicht mehr zu rechtfertigen scheinen?

Was ist der innere Zusammenhalt dieser Steinsäule? Wirklich nur Physik? Oder athmet hier noch das Vertrauen dessen, der diese Steine zusammengelgt hat? Ist Vertrauen eine ganz eigene Kraft? Der eigentliche „Seinszustand“ aller Dinge und das, was uns im Innersten miteinander verbindet? Etwas, das man vielleicht nur bezweifeln, aber nie unwahr machen kann? Ich frag mich das grade. Was meinst du?

***

2 Gedanken zu “Stabilität

  1. In der Welt stehe ich auf dünnem Eis.
    Und ich, die ich da draufstehe, bin in mir instabil.
    Das was um mich ist, verändert sich stetig und schnell. Gesteckte Ziele verschwinden bevor sie erreicht sind, geplante Wege enden im Nirgendwo.
    Gedanken zeigen sich störrisch und weigern sich geordnet zu sein.
    In das alles habe ich mich hineingelebt. Das ist nicht weiter besorgniserregend.
    Das sehe ich in allen Menschen denen ich begegne, deshalb ist dieser Zustand normal.
    Ich kenne niemanden in dieser Welt, der stabil ist und es bleibt.
    Ich wage zu sagen, dass ich eine Kernstabilität in der Akzeptanz gefunden habe, dass es Stabilität nirgendwo zu finden gibt.
    Und da kommt Vertrauen auf.
    Wenn alles hingegeben ist und kein fester, kein beständiger Boden bleibt und die Suche endet.
    Das Vertrauen das nicht bewiesen, nicht beschrieben, nicht erklärt werden kann, zeigt sich.
    Es ist einfach DA.
    Es ist das Ruhige, das Liebende in dem ich gehalten bin, mitsamt dem dünnen Eis auf dem ich stehe.
    Ja, lieber Michael, von DA aus nehme ich ‚die hauchzarte Mitte in allem‘, als gefühlte Stabilität wahr.
    Danke für den schönen Gedankenanstoss. ❤️

    1. “ … mitsamt dem dünnen Eis, auf dem ich stehe“, das ist der Punkt. Hier geht das „Vertrauen in etwas“ in das „grundlose“ Vertrauen ein. Und hier sind wir in Verbindung. Grade fahr ich mit dem Schiff an der Kreideküste Rügens vorbei. Immer wieder Stellen, wo der Kalk großflächig abgebrochen und ins Meer gestürzt ist. Dadurch stehen einzelne Bäume (die Kalkfelsen sind dicht bewaldet) nah an der Abbruchkante, teilweise hängt das Wurzelwerk schon in der Luft.
      „So, wie dieser Baum da oben“ , denk ich, „so vertrauen: total, bedingungslos“ . Es wird seine Zeit kommen, aber Leben ist immer.
      Und das Erstaunliche: In diesem Eintauchen in das fraglose Vertrauen bin ich diesem Baum ganz nah, bin er. Und bin am Ziel für diesen Moment.

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