Oh Leben, wär‘ es mir nur möglich gewesen, ich wär‘ in der Liebe geblieben, hätte Sie doch nie verlassen, Die mir immer, auch in Zeiten der Verirrtheit und Verwirrung, als das Wertvollste an Dir, als Dein Innerstes erschienen ist! Diesen Gedanken, Leben, den jedenfalls hab‘ ich durch alle Zeiten hindurch nie aufgeben können. Und vielleicht ist dieses Wenige meine Rettung!
War ich denn überhaupt jemals „in der Liebe“?
Es kommt mir so vor, wie eine Ahnung, eine leise, weit entrückte Erinnerung, ein „Ja“, das heller ist als die Sonne und doch paradoxerweise unsicher, von nichts, scheinbar von nichts in meinem Leben zu belegen: ganz, absolut in der Liebe?
Da war doch immer dieser Schatten, mal mehr, mal weniger, aber immer da, und dieser Schatten war realistischer, stets aufzeigbar, in allem der innerste Kontrast – was ihn betrifft, gab es niemals eine Beweisnot! Selbst die schönsten Formen der Liebe, die ich erlebt habe, trugen doch schon die Angst, sie wieder zu verlieren, in sich.
Es war mir doch nicht möglich, bei Dir zu bleiben, Liebe, wie denn? Und dennoch ist die Sehnsucht nach Dir in mir niemals ganz verloschen.
„Ein schöner Traum!“, scheinst Du mir im Gewand der Welt höhnend entgegenzuhalten – und doch spür‘ ich, dass Du mir ganz leise, unmerklich fast, den Schlüssel in die Hand legst, als tadelst Du mich für meine Unvernunft: „Wieso glaubst Du, die Liebe finden zu können, wenn Du Sie mit Deinen Vorstellungen von dem, was die Welt ist und was Du bist, verhüllst? So ist sie nicht zu finden! Schon vergessen?: Du bist, was Du suchst, Du bist die Liebe!“
Und als ich fertig damit bin, protestierend die Liste der Beispiele herunterzubeten, die all die Formen der Liebe enthält, welche diese Welt zu bieten hat, werde ich plötzlich gewahr, dass tatsächlich ich es bin, der versucht, Sie einzumeißeln in das, was ich verstehen kann, Ihr Formen zu geben, damit Sie in diese Welt der Formen passe.
Dass ich es bin, der unablässig diesen Schatten wirft, indem er sich zwischen Sie und seine Wahrnehmung der Welt stellt, um Ihr seine Bedingungen auferlegen zu können – und nicht begreift …
… dass er IST, was er sucht.
Vergibst Du mir, Leben, dass ich Dich mit diesem Irrsinn beschwert habe?
*
Beschwerst Du mit diesen durch Steinworte versiegelten Gedanken das Leben oder Dein Empfinden? Das von Dir mittels des Namens ‚Leben‘ angesprochene Wesen ist von Dir nicht beschwert worden; warum sollte Es dann Dir vergeben?
Liebe Grüße aus Nebenan!
Dann bin ich ja erleichtert.
Michi