Manchester

Heute Morgen das Foto dieses kleinen Mädchens. Ein bisschen schüchtern, aber vertrauensvoll schaut sie mich an. Mich? Ja, mich.

Kaum auszuhalten, ich kenne ihr Schicksal schon, das sie in dem Moment, als die Aufnahme entstanden ist, für eine Fortsetzung dessen gehalten haben muss, was sie bisher erlebt hat: eine immerwährende Entfaltung neuer Möglichkeiten, viel Liebe, ein paar kleinere Schmerzen dazwischen, kaum störend, die Masern neulich …. kaum beschattet noch ihr junges Leben.

Ich muss wegschauen, als … als würde ich mich an ihr schuldig machen, wenn ich sie mit meinem „Wissen“ anschaue von dem, was gestern geschehen ist.

Was weiß ich denn? Dass sie von der Bombe zerrissen worden ist? Dass sie ihr Leben verloren hat? Dass alle, die sie mit Liebe umgeben haben, in ein Maximum der Ohnmacht katapultiert worden sind?

Was weiß ich denn?

Kann ich sie nochmal anschauen, anders?

Ohne meine Gedanken von Zerrissenheit, Verlust und Ohnmacht, ohne MEINEN Schatten auf sie zu werfen?

Zum Glück, mein Kind, ich weiß es nicht!
Ich weiß nicht, was das Leben ist, nicht in seiner ganzen Wahrheit, die erfasse ich nicht, nicht im geringsten. Was ich aber weiß ist, dass ich nicht glauben kann, die LIEBE könne zerrissen werden und das Leben wirklich verlorengehen. Das ist so nicht in mir, dazu sagt nichts „Ja“ in mir außer den Gedanken, die sich an der Oberfläche der Ereignisse festklammern wollen, um nicht ins Bodenlose abzustürzen. Außer meiner Angst. Die sagt „Ja, du siehst es doch. Hier ist Schluss! Finde dich ab!“

Nein, das ist nicht wirklich in mir. Das stimmt so nicht. Aber ich weiß nicht wie.
Bete für mich, kleines Kind, dort, wo du jetzt bist, dass ich es erfahre und alle, die in Liebe auf dich geschaut haben und jetzt den Tod dieser Liebe fürchten.

Ich schau‘ Dich an, kleines Kind, mit dieser Bitte, und sie ist wahrhaft da, in meinem Innersten.

 

*

10 Gedanken zu “Manchester

  1. Wie wunderbar tief, ehrlich und liebevoll geschrieben. Ich finde mich in deinen Worten. Du leihst sie mir in meiner Sprachlosigkeit. In meinem Suchen. In meinem hinter die Oberfläche Sehen und Hoffen und Glauben und Spüren. Da ist ein mehr.
    Bete für mich, Kleines. Bete für uns.

      1. So viel ist so, wie es ist.
        So vieles kann man nicht verstehen, weil wir keine Worte oder auch keine Gedanken dafür haben.
        Denn Gedanken sind Worte.
        Und wo die Worte aufhören…..

  2. Micha, ich kann mich nur Deinem Gebet anschließen.Mein Schmerz kann nur von IHR oder IHM aufgelöst werden.

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