Geschwisterlich gleitende Momente

Anderthalb Jahre ist es schon her, da habe ich diese Geschichte über die Begegnung mit einem Gedichte verfassenden Bettler geschrieben.

https://luftzumathmen.wordpress.com/2016/03/04/des-bettlers-gabe/

Fast wäre mal eins seiner Gedichte veröffentlicht worden, hatte er damals sehr traurig erzählt, aber aus der Sache sei nichts geworden … In den Kommentaren zu meinem Bericht war dann die Idee aufgekommen, sein „Ameisengedicht“, von dem ich so angetan gewesen war, hier auf meinem Blog zu veröffentlichen. Aber auch aus dieser guten Idee wurde erst mal nichts, weil ich ihn seit dem Tag, als er aus unserem Stadteil vertrieben worden war, nicht mehr gesehan habe.

Gestern habe ich ihn dann wiedergetroffen, in einem anderen Stadtteil, aber mit demselben Blick und wieder ein paar zerknäulten Papieren mit seinen Gedichten in der Hand. Ich hab ihn gefragt, ob es in Ordnung sei, wenn ich eins davon im Internet veröffentliche. Es sei in Ordnung, hat er gemeint. Und ein wenig ungläubig dabei geschaut. Ich solle vorbeikommen und ihm die Seite zeigen. Mach ich. Hier ist das Gedicht (nicht ganz vollständig, alles hab ich nicht lesen können). Es ist nicht das Ameisengedicht, aber das Wort „geschwisterlich“ spielt immer noch eine entscheidende Rolle:

*

GESCHWISTERLICH GLEITENDE MOMENTE

Hans Arnfried Jürgens nur ein unbedeutender Schreiber
geschwisterlicher Gruß

Geschwisterlich gleitende Momente
sind es bzw. dürfen sein
die schöne Natur zu sehen

Wasser wogen mit Enten und Schwänen
friedvoll sie ziehen darüber
die Brotkrumen: sie die Möwen mit dunklen Augen
und mächtigen Schnäbeln
gern schauen und speisen

der Mensch eilen tut vorüber
für ein Gespräch
und die Familien mit Kindern groß und klein
halten inne die wunderschöne Natur zu schaun.

Wo Wiesen und Bäume an den Ufern des Flusses
als gleitende Momente
um einem kleinen Kaffeehäusle
zu schauen: also friedvoll
im Lichterglanze anzuschauen sind.

Die Winde schütteln die Gewässer
mal im Sonnenlichte – sodann der Regen
die Natur begießen möchte

Frage dann für bzw. an uns Menschen –
wie lange dürfen wir
gesundheitlich einigermaßen gut drauf
die gleitenden Momente schauen –
im Frieden – hoffentlich – also geschwisterlich
noch viele gute Jahre

*

6 Gedanken zu “Geschwisterlich gleitende Momente

  1. Sehr schön. Toll, dass du es hier teilst und solltest du den Verfasser dieser Zeilen wieder sehen, grüße ihn und sage, dass ist wunderbar, dass und was er schreibt.

  2. Gewiss erinnerst Du, lieber Michael, des Bruders, der die „Lyrik eines Landstreichers“ verfasste und so wohl in HH am Dammtorbahnhofe als auch in M auf dem Marienplatze sein Werk feilhielt. Ich denke, jener Lyriker und der aus einem Stadtteile vertriebene geschwisterlich dichtende Bruder und wir Beide wandern auf nicht unähnliche Weise neben- und miteinander über diese Erde. Schön, dass Du Dich des Bruders annimmst! Grüße ihn doch bitte auch mal schreibergeschwisterlich von mir, ja?

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