Ein Blatt fällt vom Baum und tanzt zur Erde. Ein Kind versucht es lachend zu fangen und erwischt es nicht. Herrlich, diese kleine Zeit, in der das vermeintlich tote Blatt seine letzte Reise unternimmt: so voller Leben. Wie es herumwirbelt, die Richtung ändert, auf einem Windhauch wieder ein Stückchen hochsteigt, um sich gleich wieder fallen zu lassen, bis zum nächsten Luftplateau, der nächsten flüchtigen Bühne für seinen Tanz.
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Ich denke: so sind Worte, so bewegen sie sich im Geist und lassen ihn aufscheinen, auch wenn sie selbst…
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…. da liegt das Blatt plötzlich am Boden. Es hat diesen letzten eigenartigen Moment gegeben, wo die Erde scheinbar eine Art Sogwirkung ausgeübt hat und das Leben schlagartig aus dem tanzenden Gebilde gewichen ist: jetzt liegt da ein Ding, ein Blatt.
Wo ist es hin, das Leben? Eben war alles noch Beziehung: zum Baum, zur Luft, auch zur Erde, die immer näherkam, zu dem Kind und dessen Freude, zu mir.
Und jetzt? Beansprucht die Erde das Leben und verlangt es von dem Blatt zurück. Das Ende des Lebens in einer letzten grausamen Beziehung.
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… auch wenn die Worte selbst nur Hüllen sind, wesenlos, unlebendig.
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Und dann kommt eine andere Wahrnehmung zu mir: Wie zart das Blatt auf der Erde liegt, als wolle es mich dazu bringen, über mein Urteil über es nachzudenken: ist es wirklich todgeweiht? Kann so eine Liebkosung, wie sie da zwischen Erde und Blatt gerade stattfindet, in den Tod münden? In Zerstörung? Spür ich da nicht die unendliche Geborgenheit, die sich lediglich meinen Augen entzieht, weil sie nicht die Gestalt, die Form, sondern das Leben in ihr birgt?
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In allem lebt ewig SEIN Gedanke. Und wir, das Kind, der Baum, das Blatt, die Erde, du … wir in IHM. Oh ja, das hätte ich fast vergessen: ich auch, tatsächlich ich auch, jetzt kann ich es glauben, dem Himmel sei Dank für diesen Spiegel! Was für ein lebendiger Athem überall! Alles ist Beziehung … zu Gott.
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Ich glaube,das kleine Blatt auch ein Platz im Himmel,auf anderem Baum gefunden hat,wo es glücklich sei.
Er beobachtet dich lachend von oben und dir ist es sehr dankbar,das du es auf letzter Reise begleitet hast und in deiner wunderschönen Zeilen erwähnen hast.
L.G.
Mirso
Mein lieber Mirso, deine Worte freuen mich sehr! Herzlichen Dank dafür und alles Liebe,
Michael