Das ist ja das Schöne: dass du mein Bruder bist, da kann ich sicher sein, bei allen anderen Einordnungen des „Du“ muss ich mich fragen, ob wir uns richtig verstanden haben, wie du’s gemeint hast, ob bei dir angekommen ist, was ich gemeint habe, welche Emotionen eine Rolle gespielt haben, ob es eine untergründige Botschaft gegeben hat bei dem, was du mir gesagt hast, was deine Gesten bedeuten, deine Körpersprache und und und. Am Ende kommt ein Häkchen hinter die spezielle Bedeutung, die du für mich hast: Mag ich, brauch ich, mag ich und brauch ich, mag ich nicht aber brauch ich, mag ich nicht und brauch ich nicht, mag ich und brauch ich nicht, ist mir egal.
Wie erholsam ist es, auf dich als meinen Bruder zu blicken: muss ich weder mögen noch nicht mögen, brauch ich nur zur Verstärkung meiner Freude, lieb ich.
Herrlich einfach. Das bist immer du.
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Eben begegnet mir in „meinem“ kleinen Park, den ich fast täglich aus reinem Bewegungsdrang mehrfach umrunde, der ältere Herr, der mir dort oft bis fast immer begegnet und der im Besitze eines Hundes samt Leine und damit einer Legitimation zur Umrundung des Parkes ist. Hundeloses und damit leinenloses Umrunden, wie ich es praktiziere, wird hier geduldet, aber ein leicht beunruhigtes „Warum?“ ist dennoch in den Augen der Hundebesitzer zu sehen, wenn ich sie grüße und dafür ja eigentlich keinen Grund, also keinen Hund vorweisen kann.
„Unermüdlich!“, empfängt mich jetzt der Herr mit Strohhut, „und so vergeht Jahr um Jahr!“
„Ach die Zeit..“ sage ich, „lassen Sie sie doch vergehen, wir haben ja noch was anderes zur Verfügung! Betrachten Sie doch mal diesen Park hier z.B. jeden Tag neu, dann haben Sie gar keine Zeit für die Zeit!“
Er kennt mich ja schon ein bisschen und nickt, als wolle er sagen: Sie mit ihrer Gegenwart, das hört sich ja ganz gut an, aaaaaber…. und sagt:
„Aber die Vergangenheit war auch ganz schön!“
„Na klar“, erwidere ich, „aber auch in der Vergangenheit war es doch immer die Gegenwart, die schön war, oder?“.
Da zieht der Hund energisch an der Leine und der Herr unterm Hut zieht Leine, wenn man das so sagen darf.
Damals, denk ich, da hast du den Bruder getroffen, und das war das einzig Schöne am Damals. Und gerade hast du den selben Bruder wiedergetroffen…. und nicht wirklich erkannt. Das ist das Bedrückende an dem was du deine Gegenwart nennst, in der du dich gealtert siehst im Vergleich zum Damals und deiner Zukunft nur noch ein paar Jahre Zeit gibst, wenigstens ein paar helle Momente zu enthalten, neben dem Schrecken des Sterbens, das sie ja unausweichlich mit sich bringen wird.
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Aber Bruder, wenn das wahr wäre, wie hättest du heute den selben Bruder treffen können, mit dem es in deinem Damals schon so schön war? Und du hast ihn wiedergetroffen, ganz genau den Selben, ich kann es bezeugen!
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