Bestellungen beim Universum

Spätestens seit Bärbel Mohrs gleichnamigem Buch wissen wir ja, wie’s geht, das Wunscherfüllen aus eigener Kraft: Wir denken uns den Traumpartner, den ersehnten Job und das satt gefüllte Bankkonto einfach herbei. Klappt garantiert, genauso wie das Verbiegen von Kaffeelöffeln per Geisteskraft seit Uri Geller für uns alle eine Selbstverständlichkeit ist.

Der Anfänger in der Disziplin des Wunscherfüllens beginnt seine Fähigkeiten klassischerweise mit dem Herbeidenken eines Parkplatzes an gewünschter Stelle zu erproben, erst auf dem Land, dann in der Vorstadt und schließlich mitten in der City einer Großstadt, wo die Anwohner bereits aus purer Not dazu übergegangen sind, ihre Fahrzeuge senkrecht an Bäume zu stellen und im Falle eines kosmisch günstigen Moments, in dem dann eben doch mal ein regulärer Parkplatz zu ergattern ist, ihr Auto dort bis zum nächsten Sommerurlaub stehen zu lassen. Es gibt ja überall jetzt in den Großstädten wunderbar ausgebaute Bus- und U-Bahnverbindungen.

Nicht so unser universeller Wunscherfüllungsadept, der gerade solche Situationen beginnt, reizvoll zu finden wie jeder Meisterschüler, der schließlich die Schwierigkeit sucht, um noch weiter in seinen Fähigkeiten wachsen zu können.

In meinem beruflichen Alltag fahre ich täglich durch die schönste Stadt, von der jeder weiß, dass sie an der Elbe liegt und ich brauche mehrmals am Tag … genau: einen Parkplatz, möglichst in der Nähe der Adresse, zu der ich unterwegs bin. Was das Wunscherfüllen durch Herbeidenken angeht, halte ich mich allerdings nicht mal für einen Anfänger, höchstens für einen Dilettanten, deswegen spiele ich auch nach entsprechend enttäuschenden Ergebnissen bei meinen tapsigen Versuchen, wenigstens mal drei oder vier richtige Zahlen herbeizudenken, seit Jahren kein Lotto mehr und verwende das Geld lieber zum Auffüllen von Parkuhren.

Erstaunlich allerdings ist eine unbestreitbare Tatsache: In den zwei Jahren, in denen ich jetzt derart in meiner Stadt unterwegs bin, hab ich nie länger als drei Minuten gebraucht, um auch in den parkraumbefreitesten Wohngebieten einen Platz mit meinem zum Glück eher kleinen Auto zu finden. Da hab ich aber nichts herbeigedacht und nicht einmal drüber nachgedacht. Es war einfach immer so, und das ohne Ausnahme.

Gestern also – jetzt kommt so langsam die eigentliche Geschichte, ich bitte um etwas Geduld! – bin ich wieder unterwegs in ein solches parktechnisches Horrorgebiet und versuche es gelassen zu nehmen. Wie gesagt, bisher … Was anders ist: Diesmal denke ich über das Phänomen nach. Mir fällt besagte Wunscherfüllungstechnik ein und ich frage mich, ob ich da so was Ähnliches vielleicht unbewusst mache. Erstaunlicherweise komme ich zu dem Ergebnis, dass mein „Denken“, was solche Wünsche angeht, eigentlich in eine ganz andere Richtung geht entsprechend dem, wie ich gewohnt bin, meinen Geist auszurichten: Ich weiß zwar, was ich an der Oberfläche „will“ – in diesem Fall einen Parkplatz, aber ich weiß auch und versuche dieses Eingeständnis in mir wach zu halten, dass ich keine Ahnung habe und keine haben kann, wozu die Situation, in der ich gerade einen Parkplatz suche, eigentlich gut ist, was sie soll und was mein Teil darin ist.

Und zum ersten Mal wende ich diese Geisteshaltung bewusst auf die Parkplatzsuche an. Holla! Als Erstes wird wir unangenehm klar, warum da eine gewisse Hemmschwelle zu bemerken ist. Irgendwas in mir will an dem offensichtlich funktionierenden System (ich finde ja immer einen Platz) nicht rühren. Klappt doch auch so. Wenn ich jetzt sage: Ich weiß aber eigentlich gar nicht, worauf die Situation im Gesamten hinauslaufen soll und wird, sag ich da nicht auch: Ich stell das mal anheim mit dem Parkplatz, wenn ich keinen kriege, soll das vielleicht so? Genau. Genau das sage ich damit. Und da ist die Hemmung: Mach ich jetzt meine gute Serie kaputt? Will ich den Parkplatz gar nicht so richtig, entlasse ich ihn aus meinem geistigen Fokus – und damit ist er weg? Ist das nicht gerade die Stärke der Bestellstrategie, die die Willenskraft bündelt, um das Universum dazu zu bringen, Platz für mich zu schaffen?

Boah. Ja. Da ist was dran. Ich entlasse tatsächlich den Parkplatz aus meinem geistigen Fokus und sage: Ich weiß nicht, was gut für mich ist in dieser Situation. Mein Fokus liegt jetzt darauf, zu erfahren, was ich hier soll – mit oder ohne Parkplatz. Zur Erinnerung: Ich habe einen Termin! Zu spät kommen ist gaaaanz schlecht. Und es wird langsam eng, denn – wen wundert’s? – diesmal finde ich natürlich keinen Platz, die drei Minuten sind seit zehn Minuten vorbei und ich kreise immer noch zunehmend zerknirscht um die Zieladresse herum und bestaune die vielen Senkrechtparker, Baustellen, dauerparkenden Wohnmobile und ähnliche Blockaden meines mir aus universeller Sicht zustehenden Parkplatzes.

Das Wohngebiet grenzt an die „City Nord“, ein isoliertes Gebiet mit Firmen- und Bürohäusern. Irgendwann fahre ich zum zigsten Mal an dem „Haus Nr. 54“ vorbei, und biege in die City Nord ab. Nach fünfzig Metern geht da noch eine Wohnstraße mit entsprechendem Parkstreifen ab und das ist meine letzte Hoffnung: Vielleicht habe ich da Glück. Nach gut zweihundert Metern tatsächlich: Ein Parkplatz, also jedenfalls so was Ähnliches, ein Dreiviertelplatz, mit dem Heck steh ich in einer Einfahrt, aber es ist Platz genug für alle und ich lasse das Auto da stehen, Thema durch, Parkplatz gefunden.

Jetzt muss ich natürlich die ganze Wohnstraße wieder zurückgehen, aus der City Nord raus und die Hauptstraße zurück bist zur „Nr. 54“. Unterwegs kommen mir Gedanken wie: Siehste, jetzt denkst du einmal nach über dein Parkplatzsuchen und wie du dich dazu einstellst und schon klappt es nicht mehr. Da liegt es doch nahe, den Schluss zu ziehen, dass der Wille durch dieses „Freilassen“ der Situation geschwächt wird und nicht mehr genügend fokussiert ist auf das Ziel: einen Parklatz zu finden. Der Gedanke ist nicht abzuweisen, aber was sich in mir durchsetzt, ist: Okay, dann lebe ich damit, ich will weiter wissen, was ich hier soll und das ist mein eigentliches Ziel! Das ist mir wichtiger. Den Zyniker, der mich jetzt verhöhnen will – „Was du hier sollst? Du sollst keinen Parkplatz finden und zu spät kommen!“ – überhöre ich einfach. Eine andere, sehr leise Stimme ist da auch, die sagt etwas ganz anderes. So in etwa: Warte es doch ab, du wolltest doch wissen, wozu du hier bist! Jedenfalls bedeutet das Ganze erst mal zehn Minuten Fußweg für mich. Das ist ja durchaus akzeptabel, aber im Vergleich zu allem, was ich bisher beim Parkplatzsuchen erlebt habe, das mit großem Abstand schlechteste Ergebnis. „Nr. 54“. Um genau zu sein: „Nr. 54 c“. Schließlich bin ich da.

Der Häuserblock steht quer zur Hauptstraße und „54 c“ ist der letzte Eingang. Ich finde den entsprechenden Namen am Klingelschild, merke aber, dass ich tatsächlich noch drei Minuten zu früh bin und gehe noch ein wenig vor der Haustür auf und ab. Da hinten, am Ende des Häuserblocks, wo mag das hingehen? Eine kleine Treppe – fünf Stufen nur – , führt in eine Art Garten, der begrenzt ist von einer etwa zwei Meter hohen Hecke. Ein schmaler Durchgang, wohin nur? Meine Neugier ist geweckt und ich gehe die Stufen hinunter und durch die Lücke in der Hecke und … und … das gibts nicht … stehe vor meinem geparkten Auto.

Klar, das ist alles kein Zauber, die Straße führt eben parallel zur Hauptstraße auch an dem Häuserblock vorbei, der mein Ziel war … zu erkennen ist das allerdings von dieser Seite her in keinster Weise, da ist nur hohe, grüne Hecke … kein Hinweis auf Hauseingänge, nichts. Kein Zauber, und doch stehe ich mit weit offenen Augen da, staunend über die unbezweifelbare Tatsache, dass ich genau vor der Haustür einen Parkplatz bekommen habe.

Hätte ich ihn beim Universum bestellt und derart „geliefert“ bekommen, würde ich mich jetzt beschweren: Was nützt mir der Parkplatz, wenn ich nicht erkennen kann, wie nah er dem Ziel gelegen ist. So aber, weil ich ihn eben nicht „herbeigedacht“ habe, sondern immer noch die einfache Frage stelle, wozu diese Situation eigentlich diene und was ich in ihr solle, empfinde ich etwas ganz anderes. Es ist einfach nur Dankbarkeit und Glück. Die Antwort und Hilfe ist immer mit mir. Und das ist … mehr als genug.

 

*

2 Gedanken zu “Bestellungen beim Universum

  1. Das war eine wundervolle Erfahrung, geliebter Bruder. Man ist direkt mit dabei, wie du es beschreibst und dein Humor regt derart zum Lachen an, dass ich dem nicht widerstehen kann. Dankeschön fürs Mitteilen und deine Art zu schreiben. 🌻
    Verbindliche Grüße mit
    sanftem Wind
    Luxus

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