Das macht doch nichts …

„Weißt du,  Martha, die ganze Situation hier … wenn jetzt jemand kommen würde und mir mitteilen müsste, dass ich nicht mehr lange zu leben hätte … ich würde nicht erschrecken!  Was du da gestern noch zu ihm gesagt hast,  das hat mir irgendwie die Angst vorm Tod genommen. Vielleicht kommt sie wieder,  das halte ich sogar für wahrscheinlich,  aber für den Moment …“

„Ich hab‘ nicht überlegt, ich hatte nicht einmal großartige Emotionen dabei, hab’s einfach gesagt,  es … lag in der Luft … war da … ich hab’s nur ausgesprochen. Schon dass ich ihn letzte Woche nach dem Gespräch mit dem Arzt sofort mit nach Hause genommen habe, ist einfach so passiert,  ich hatte das gar nicht geplant. Aber es war plötzlich ganz klar,  dass ich das tun würde, dass es richtig war …“

„Martha, du musst nicht,  das weißt du,  aber würdest du mir sagen,  worauf du ihm eigentlich geantwortet hast, was hat er dir ins Ohr geflüstert? Wir haben das ja nicht verstehen können.“

„Natürlich, Leo, vor dir hab‘ ich keine Geheimnisse!  Er hat einfach nur gesagt: „Martha,  Liebe, ich kann nicht mehr kämpfen.“ Und weißt du, das hab‘ ich auf eine ganz bestimmte Art gehört … ich war so in ihm drin, so … das kann man mit „Nähe“ gar nicht mehr beschreiben … ich hab‘ es wie eine Bitte gehört, etwas auszusprechen,  worüber wir uns längst schon wortlos geeinigt hatten, es für euch, seine Freunde, auszusprechen. Ich hab‘ es gesagt, als sei es das Normalste der Welt: „Das macht doch nichts, wir haben dich alle schon losgelassen!“

„Danke,  dass du mir das noch erzählt hast, Martha, er ist sehr friedlich gewesen danach, eigentlich gilt das für uns alle,  wir sind alle friedlich geworden, nachdem du das gesagt hattest.“

„Ja, Leo, das sind wir, es war … es war einfach da.“

*

6 Gedanken zu “Das macht doch nichts …

  1. Jemanden gehen lassen können, wenn dieser selber gehen möchte, ist – so glaube ich – eine wichtiges Zeichen und eine innere Stärke.
    Dein Text und der Dialog beschreiben es schön.

    1. Martha, die mir von diesem Ereignis erzählt hat, hat ihren Mann sehr geliebt und war fünfundzwanzig Jahre mit ihm verheiratet.
      Mich hat sehr beeindruckt – und sie selbst auch – wie sie sich hat empfänglich machen können für das richtige Handeln und die rechten Worte, die allen geholfen haben, vor allem ihre Angst loszulassen und den Sterbenden damit nicht mehr zurückhalten zu müssen. Das fand ich sehr groß, Martha ist auch eine sehr reife, lebenserfahrene Frau, eine ganz wertvolle Begegnung für mich.
      Danke, Marion!

      1. Das hört sich nach einer sehr empathischen Frau an. Ja, das ist sehr groß, was sie da gesagt und gefühlt hat, wie sie gehandelt hat. Da muss eine große Liebe in ihr wohnen, wenn sie die eigene Befindlichkeit zurückstellen konnte und zu

  2. Das berührt mich sehr… Ich bin auch gerade in einem Prozess des Schrittweise-Gehen-Lassens eines mir sehr nahe stehenden Menschen.
    Vielen Dank fürs Teilen dieser tiefen Erfahrung hier.
    Herzliche grüße mit guten Wünschen für eine magisch schöne Adventszeit schickt dir
    Marina

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